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Von der Lieferkette zum Eigenkapital: Warum europäische Family Offices jetzt vermehrt ins operative Geschäft einsteigen

03.07.2025

Lange Zeit waren Family Offices stille Kapitalgeber im Hintergrund – diskret, risikoavers, mit Fokus auf Vermögenserhalt. Doch in ganz Europa zeichnet sich aktuell ein bemerkenswerter Wandel ab: Immer mehr Family Offices verlassen die passive Rolle und steigen aktiv in operative Geschäftsmodelle ein. Besonders im Bereich von KMU-Beteiligungen und Buy-and-Build-Strategien wird deutlich: Diese Investoren wollen nicht mehr nur beobachten – sie wollen gestalten.
 

Die Zeiten passiver Allokation sind vorbei

Inflation, Zinspolitik und geopolitische Spannungen haben den Blick vieler Familienvermögen verändert. Traditionelle Anlageklassen wie Anleihen oder Immobilien bieten kaum noch attraktive Renditen bei gleichzeitig wachsendem Risiko. Parallel dazu wächst das Bedürfnis nach direkter Kontrolle über Kapitalverwendung, Entscheidungswege und unternehmerischen Einfluss.
Daraus ergibt sich ein neues Profil: Das Family Office als unternehmerischer Akteur. Statt in Fonds zu investieren, werden vermehrt Beteiligungen an kleineren oder mittelgrossen Unternehmen gesucht – idealerweise solche, die strukturell unterbewertet sind, aber operatives Potenzial mitbringen.
 

Von der Beteiligung zur Integration

Ein aktueller Trend dabei ist die vertikale Integration: Viele Family Offices investieren entlang bestehender Wertschöpfungsketten – etwa in Zulieferer, Distributoren oder Technologiepartner aus früheren Geschäftsbeziehungen. Ausgelagerte Leistungen werden zurück ins eigene Netzwerk geholt – mit dem Ziel, mehr Kontrolle, Effizienz und Unabhängigkeit zu gewinnen.
Diese Form der Beteiligung geht deutlich über ein klassisches Investment hinaus. Es entstehen hybride Strukturen, in denen Kapitalgeber auch operative Verantwortung übernehmen – etwa durch die Besetzung von Verwaltungsratsmandaten, die Entsendung von Geschäftsführern oder durch strategische Reorganisationen.
 

Buy-and-Build als neues Spielfeld

Ein weiteres Feld, in dem Family Offices derzeit verstärkt aktiv werden, ist die Buy-and-Build-Strategie. Statt auf Einzelinvestments zu setzen, werden mehrere kleinere Firmen in verwandten Branchen akquiriert, gebündelt und operativ zusammengeführt. Ziel ist eine signifikante Wertsteigerung durch Skaleneffekte, gemeinsame Infrastruktur und bessere Marktpositionierung.
Diese Strategie war bisher vor allem Private-Equity-Fonds vorbehalten – nun übernehmen immer öfter Family Offices diese Rolle selbst. Vorteil: Sie können langfristiger denken, sind weniger exit-getrieben und agieren oft mit grösserer unternehmerischer Freiheit.
 

Ein neuer Unternehmertypus entsteht

Was wir aktuell beobachten, ist eine Rückbesinnung auf aktives Unternehmertum – jedoch mit dem Kapital- und Netzwerkvorteil eines Family Offices im Rücken. Diese Entwicklung verändert nicht nur den Markt für Direktbeteiligungen, sondern auch die Rolle klassischer Finanzintermediäre.
Für Gründer und Mittelständler bedeutet das: Der potenzielle Investor sitzt heute oft nicht mehr im Bankenturm, sondern direkt gegenüber – als Unternehmer mit Kapital, Erfahrung und echtem Interesse an nachhaltigem Wachstum.
 

Fazit: Kapital sucht Einfluss – und Wirkung

Europäische Family Offices definieren ihre Rolle neu. Sie wollen nicht nur Geld anlegen, sondern gestalten. Für den Beteiligungsmarkt ergibt sich daraus eine spannende Dynamik – mit langfristigem Denken, operativer Kompetenz und echten Wachstumsambitionen.